Schluss mit Samba: Darum will die Bundesliga keine Brasilianer mehr

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Sagen Ihnen die Namen Leandro, Gustavo Nery, Bernardo oder Andre Lima noch etwas? Brasilianer, die mit großem Tamtam und teilweise für viel Geld in die Bundesliga geholt wurden – und hier grandios scheiterten.

122 Profis aus dem größten Land Südamerikas (203 Mio Einwohner) spielten seit 1964 in der Bundesliga. 

Jose Gilson Rodriguez (Zeze/Köln) war der Erste. Ihm folgten Weltstars wie Carlos Dunga (Stuttgart), Lucio (Leverkusen und Bayern), Marcio Amoroso (Dortmund).

Aber eben auch Leandro (2002 bis 2004 12 Spiele für den BVB, 2 Tore), Gustavo Nery (2004/05 3 Spiele für Werder), Bernardo (1991/92 4 Spiele für Bayern) oder Andre Lima (2007/08 16 Spiele für Hertha, 2 Tore).

Und jetzt geht der Brasilien-Boom zu Ende: 2008 kickten 36 noch in der Bundesliga – Rekord. Diese Saison sind es nur noch 17. Und die Zahl wird wohl weiter sinken. Gleichzeitig steigt der Anteil deutscher Spieler.

Bayer Leverkusens Boss Wolfgang Holzhäuser (61) erklärt: „Der brasilianische Markt ist tot.“ Statt auf Legionäre setzt sein Verein lieber langfristig auf deutsche und europäische Talente.

Und ist damit nicht allein. Rekordmeister Bayern München hat sogar das Südamerika-Scouting eingestellt. Präsident Uli Hoeneß (59): „Der Weg ist angedeutet, mehr auf europäische, mehr auf deutsche und ganz speziell auf bayerische Spieler zu setzen.“

Heißt: Bayern will in Zukunft seine Stars selbst ausbilden (wie Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller oder Holger Badstuber) oder kaufen (Mario Gomez, Manuel Neuer) und die Mannschaft um wenige europäische Top-Spieler (Arjen Robben, Franck Ribéry) ergänzen.

Weniger Brasilianer in der Bundesliga. Woran liegt das?

Sprachbarriere: Nur wenige Spieler aus Brasilien fielen durch Deutsch-Kenntnisse auf. Der Lerneifer ist nicht sonderlich ausgeprägt.

Gruppenbildung: Wo immer Brasilianer in einer Mannschaft zusammenspielen, verbringen sie ihre Freizeit zusammen, kapseln sich von anderen Spielern ab.

Unklare Berater-Verhältnisse: Holzhäuser: „Für einen Spieler muss man sich häufig erst mal mit mehreren Besitzgesellschaften rumplagen. Das macht Verhandlungen sehr mühselig.“

Anlaufzeit: Brasilianer, die aus ihrem Heimatland in die Bundesliga gewechselt sind, müssen sich in vielen Dingen umstellen, schlagen selten im ersten Jahr ein.

Finanzen: Mittlerweile kann ein Spieler auch in der Heimat gutes Geld verdienen. Holzhäuser: „Man kann Brasilianer fast nicht mehr bezahlen.“

Andere Märkte: Heute locken auch Asien und arabische Länder. Berater Roger Wittmann (hat mit seiner Firma Rogon drei Niederlassungen in Brasilien): „Die Nachfrage ist gestiegen.“

Gestiegene Nachfrage in anderen Ländern oder gesunkene Lust in Deutschland – Fakt ist: Es kommen einfach weniger Brasilianer.

Und mit ihnen bleiben auch die lustigen Anekdoten aus. Oder könnten sie sich einen jungen deutschen Profi vorstellt, der 100 000 Dollar Handgeld in sein Haus einmauert? Nando hat das gemacht. Als der HSV-Brasilianer das Geld wieder rausholen wollte, war es verrottet.

Als Dedé (33) - übrigens der Bruder von Leandro - 1998 nach Dortmund kam, wusste er nichts von Supermärkten, kaufte stattdessen monatelang an Tankstellen ein.

Und da war noch Herthas Alex Alves, der mit weißem Pelzmantel auf der Weihnachtsfeier auftauchte. Oder sein Mannschaftskamerad Marcelinho, der sich eine unerfindliche Frisur auf den Kopf zaubern ließ – und die rot färbte.

Und da ist noch die Sache mit dem Wetter. Viele Brasilianer sehen hier zum ersten Mal Schnee. Wie Zeze. Der hielt es nicht lange in Deutschland aus. Nach fünf Spielen attestierte ihm ein Arzt eine „Schnee-Allergie“, Zeze (†64) flüchtete aus der Kälte.

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